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Interview



...zum Gewinn des Grabmal-TED

1. Herr Vincent, Sie haben mit Ihrer Arbeit den diesjährigen Grabmal-Ted gewonnen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Der Grabmal-Ted ist der einzige Wettbewerb meines Wissens welcher den kompletten deutschsprachigen Raum betrifft. er wird von der Verbraucherorganisation Aeternitas und dem führenden Fachblatt der Natursteinbranche Naturstein organisiert. Dass meine Grabmale in die Auswahl gekommen sind war für mich schon erfreulich. Mit dem Sieg und den vorderen Plätzen habe ich nicht gerechnet. Beim Ted mitzumachen und dann noch zu gewinnen bedeutet mir viel, denn es ist ein gutes Feedback für meine Arbeit. Feedback von normalen Menschen und nicht von Fachleuten. Es zeigt mir, dass die persönlichen Investitionen, welche ich durch ausgiebige Beratungsgespräche mit den Kunden oder Friedhofsverwaltern leiste, zu einem sehr guten Ergebnis führen, welches viele Menschen anspricht, welches viele Menschen nachvollziehen können.

2. Was ist das Besondere am Siegergrabmal "Allein" - warum ist es Ihrer Meinung nach von den Menschen auf Platz eins gewählt worden?

Ich denke, es ist die besondere Ästhetik des Grabmales welches eine unmittelbare Nachvollziehbarkeit des Geschehens, die Tragik des frühen Verlustes sehr gut bezeichnet. Hinzu kommt bestimmt noch die für ein Denkmal ungewöhnliche Materialauswahl und dadurch die ganz spezifische Wirkung, welche sich ja auch in dem erklärenden Begleittext widerspiegelt. Es berührt, natürlich durch die Thematik, den Betrachter an neuralgischen Punkten der Mitmenschlichkeit. Des Weiteren denke ich, dass es für etwas Neues auf dem Friedhof steht und die traditionelle Auffassung vom Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk sprengt und es dadurch interessant macht.

3. Sie verkaufen aus Prinzip keine Katalogware, haben auch selbst keinen Grabmalkatalog, Ihr Flyer zeigt Skulpturen und Objekte, keine Grabmale. Sie erarbeiten zum größten Teil mit den Hinterbliebenen individuelle und persönliche Grabmale. Warum?

Ich versuche mit den Hinterbliebene gemeinsam auf einen Weg zu gehen. Auf diesem Weg schreiten wir metaphorisch, symbolisch und formspezifisch Gestaltungsmöglichkeiten zur Umsetzung des individuellen Wunsches des Kunden ab. In der Regel gelingt mir dies und darin verborgen liegt auch der Grund meine Arbeit so zu machen und nicht anders. Steinwüsten, gestalterisches Einerlei, zusammengestoppelte symbolische Unverbindlichkeiten zeigen geradezu augenfällig den Verlust eines Sinnhorizontes und den Verlust zwischenmenschlicher Kommunikation. Hier wird Trauer immens erschwert, wenn nicht gar verhindert. Die erfolgreiche gesunde Bewältigung von Tod und Trauer ist dort am größten, wo trostspendende Kommunikation und sinnstiftendes Verstehen vorhanden ist. Denn dadurch habe ich die Möglichkeit ein gutes Grabmal zu erstellen, bei dem ich weiß, dass der Hinterbliebene mit Freude zu dem Grab geht, weil er in diesem Prozeß etwas mitgestaltet hat, womit er sich identifizieren kann. Für Ihn wird dieses Grabmal über einen langen Zeitraum Bestand haben, auch wenn sich die Trauer und die Lebensumstände geändert haben sollten. Ja, und diese Arbeit ist für mich sehr befriedigend, denn sie stellt meistens eine Herausforderung dar.

4. Das Grabmal "Allein" besteht zu einem Großteil aus Glas. Welche Rolle spielt für Sie als Steinbildhauer das Thema Materialauswahl?

Das Material um einen Wunsch in ein Zeichen umzusetzen ist immens wichtig. Es ist z.B. nicht möglich mit einem indischen Grabmal einen in der Region des Ruhrgebietes tief verwurzelten Menschen zureichend zu symbolisieren. Durch die Materialauswahl setze ich schon ein Zeichen. Es stellt sich für mich auch als einen ökologischen Wahnsinn dar, Gesteine um die halbe Welt zu transportieren, wenn doch hier allein im europäischen Umfeld ausreichend Gestein vorhanden ist. Vor allen Dingen Gesteine mit welchen lange Jahre Erfahrung gesammelt wurden. Ich versuche in den Gesprächen mit den Hinterbliebenen auf die im Umfeld mit Importsteinen auch in der Fachpresse diskutierten Probleme hinzuweisen und zu sensibilisieren. In der Regel gelingt mir das gut.

5. Ihre Arbeiten wirken sehr "handwerklich" - so wird man in Ihrer Grabmal-Ausstellung wohl kaum eine gestrahlte Schrift finden. Stimmt das?

Das stimmt. Als ich mich 2003 selbständig gemacht habe, habe ich mich ganz bewußt gegen den Kauf einer Strahlmaschine entschieden. Meiner Ansicht nach ist eine gestrahlte Schrift von der Anmutung und der Ausführung her nicht mit einer gehauenen Schrift zu vergleichen. Schrifthauen ist ein gutes Stück Handwerk, es charakterisiert den Stein. Sie verleiht ihm, wenn man so will, Seele. Maschinell erstellte Schriften sind meiner Meinung nach kalt und vermitteln einen artifiziellen Charakter.

6. Das allgemeine Interesse am Thema Grabmal scheint nach wie vor groß - das lassen z.B. die hohen Besucherzahlen des Grabmal-Ted vermuten. Dennoch verzeichnet die Grabmal-Branche einen rückläufigen Absatz. Wie erklären Sie sich das?

Moderne Bestattungsformen wie Friedwald, Ruheforst, Bestattungsfelder ohne Gestaltung, die grüne Wiese, Almwiesenbestattungen und wie sie noch heißen bieten auf den ersten Blick attraktive Alternativen für Hinterbliebene, sich ihrer Verstorbenen zu entledigen, vor allen Dingen, wenn durch die Versprengheit der Familie in alle Himmelsrichtungen sowie dem Kostenaufwand die Pflege einer traditionellen Grabstelle fraglich wird. Des Weiteren bieten die Friedhöfe für den sensiblen Menschen zumeist ein trostloses Bild mit ihren Einheitssteinen, der Unifomität der Gestaltung und Bearbeitung, der Charakterlosigkeit der Grabstellen, welche mit Steinmetzarbeit gleichgesetzt wird und das Ziel verfehlt haben, den Menschen in ihrer Trauer zu helfen. Ebenso kommen noch die Auflagen der Verwaltungen hinzu. Zwänge, visuelle Einöde und natürlich die Kosten vertreiben den Menschen von den Friedhöfen. Hinzu kommt, das die so genannte Geiz ist geil-Mentalität eine Abwertung des Handwerkes erst möglich macht, Katalogware bevorzugt wird, bei den neueren Bestattungsformen kleinere bzw. keine Grabsteine gebraucht werden und die Wertigkeit eines gut gestalteten Grabmales bzw. der handwerklichen Arbeit gar nicht gesehen wird.

7. Mit Friedwald, Ruheforst und anderen Naturbestattungsformen sowie Urnenbeisetzungskirchen entstehen neben den traditionellen Friedhöfen Bestattungsorte, in deren Konzept das Grabmal keine Rolle spielt. Wie sehen Sie die Zukunft des Grabmals vor diesem Hintergrund?

Ich denke, dass das Grabmal Bestand haben wird. Die modernen Bestattungsformen werden sich bestimmt etablieren und DIE Bestattungsform für den mobilen Menschen darstellen. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb wird das individuelle personenbezogene Grabmal nicht verschwinden. Das Grabmal ist ein Sinnzeichen. Sinn ist etwas, was sich lohnt. Sinnerfahrung hat auch immer etwas mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun, dem Bewußtsein der Identität und Kontinuität im Lebensprozeß. Das Grabmal ist ein memento mori. Zu allererst für die Hinterbliebenen, darüber hinaus für alle anderen. Das Grabmal bietet die Möglichkeit der Kommunikation, es ist somit stellvertretend Adressat der Sprache beim Friedhofsgang und, ganz besonders wichtig, das Grabmal wird im Gestaltungsprozeß, in seiner Entstehung Sprache selbst. Es wird zu einem Kommunikationsmittel. Es hebt die Kommunikationshemmung, welche sich durch die Entfremdung des Todes in der modernen Gesellschaft verfestigt hat, auf. Kommunikation ist grundlegend bedeutsam für die Art der Ausgestaltung von Sinn. Hier liegt natürlich eine große Verantwortung beim Steinmetz für das zukünftige Erscheinungsbild der Friedhöfe. Und nicht nur bei den Steinmetzen sondern auch den Gärtnern. Es ist wichtig, das der Steinmetz die gestalterische Qualität in der Breite steigert, ich will damit sagen, das den Menschen gute Steine in allen Preissegmenten angeboten werden müssen. Das Grabmal wird bestand haben, weil es tiefer den Menschen berührt als Bestattungsformen, welche die Anonymität hervorheben und die historische Wirklichkeit und Wirksamkeit des Einzelnen negieren. Ich denke, dies ist mit ein Grund, dass das Denkmal "Allein" gewonnen hat.